Lösungen zur Klausur für Mathematik
vom 13. 07. 2002 für Biochemiker und Biologen

Aufgabe 1   Das Kohlenstoff-Isotop $C^{14}$ hat eine Halbwertzeit von 5730 Jahren. Sein Anteil in lebenden Organismen entspricht seinem Anteil am Kohlenstoff in der Luft, der sich über Jahrtausende nicht verändert hat. Stirbt ein Organismus ab, so zerfällt das in ihm gebundene Kohlenstoff-Isotop $C^{14}$. Wie alt ist nun ein Papyrus, der noch $76\%$ des $C^{14}-$Isotops enthält, den ein heutig gefertigter Papyrus hätte?
Hinweis: Der Zerfall wird durch die Funktion $f(t)=c_0e^{-\lambda t}$ mit $\lambda>0$ modelliert.

Lösung zu Aufgabe 1 (5 Punkte)   Bestimmung der Konstanten $\lambda$:
Es gilt

\begin{displaymath}
f(5730)=c_0e^{-\lambda 5730}=c_0\frac{1}{2}.
\end{displaymath}

Nach Division dieser Gleichung durch $c_0$ und Logarithmieren folgt

\begin{displaymath}
\lambda=\frac{\ln 2}{5730}=0,0001209681.
\end{displaymath}

Bestimmung des Alters $t$ :
Es gilt

\begin{displaymath}
f(t)=c_0e^{-\lambda t}=c_0  0,76.
\end{displaymath}

Also folgt

\begin{displaymath}
t=-\frac{\ln 0,76}{\lambda}= \frac{5730* (-\ln 0,76)}{\ln 2}= 2268,671.
\end{displaymath}

Somit ist das Alter 2269 Jahre.

Aufgabe 2   In zwei Behältern A und B befinden sich insgesamt N Partikel. Beide Behälter sind durch eine Membran getrennt, die für die Partikel durchlässig ist. Es ist bekannt, dass in einer Minute der 15. Teil der zuvor in A befindlichen Partikel nach B gewandert ist und der 10. Teil der zuvor in B befindlichen Partikel nach A. Es bezeichne $a_n$ die Anzahl der Partikel in A nach n Minuten und entsprechend $b_n$ die Anzahl der Partikel in B nach n Minuten.
a) Zeigen Sie, dass

\begin{displaymath}
a_{n+1}= \frac{14}{15}a_n+\frac{1}{10}b_n
\end{displaymath} (1)

gilt.
b) Nutzen Sie die Beziehung $a_n+b_n=N$ aus, um die Beziehung

\begin{displaymath}
a_{n+1}= \frac{5}{6}a_n+ \frac{1}{10}N
\end{displaymath} (2)

herzuleiten.
c) Bestimmen Sie die Grenzkonzentration in A und B.
d) In dem Behälter A sei zu Beginn $a_0=N/3$ Partikel. Wie lange muss man mindestens warten, bis im Behälter A $90\%$ der Grenzkonzentration sind?

Lösung zu Aufgabe 2 (11 Punkte)   a) Nach einer Minute verringert sich die Anzahl in A um $a_n/15$ und vermehrt sich um $b_n/10$. Also gilt

\begin{displaymath}
a_{n+1}= a_n-\frac{1}{15}a_n+\frac{1}{10}b_n=
\frac{14}{15}a_n+\frac{1}{10}b_n,
\end{displaymath}

d. h. (1) ist erfüllt.
b) Wegen $b_n=N-a_n$ erhalten wir aus (1)

\begin{displaymath}
a_{n+1}= \frac{14}{15}a_n+\frac{1}{10}(N- a_n)=
\left(\frac{14}{15}- \frac{1}{10}\right)a_n+\frac{1}{10}N,
\end{displaymath}

also (2). Dies ist ein inhomogenes lineares Modell mit

\begin{displaymath}
q= \frac{5}{6}\quad\mbox{und}\quad d= \frac{1}{10}N
\end{displaymath}


c) Da $q<1$ existiert der Grenzwert $a_\infty$ und berechnet sich nach

\begin{displaymath}
a_\infty=\frac{\frac{1}{10}N}{1- \frac{5}{6}}= \frac{6}{10}N,\quad
b_\infty= \frac{4}{10}N.
\end{displaymath}

d) Es gilt nach n Minuten

\begin{displaymath}
a_n=q^n a_0+d\frac{1-q^n}{1-q}= q^n(a_0-a_\infty)+a_\infty.
\end{displaymath}

Es soll die Ungleichung

\begin{displaymath}
a_n\ge 0,9 a_\infty
\end{displaymath}

gelten. Dies ist gleichwertig mit

\begin{displaymath}
q^n(a_0-a_\infty)+a_\infty\ge 0,9 a_\infty.
\end{displaymath}

Nach Umformung erhalten wir

\begin{displaymath}
q^n\le \frac{0,1 a_\infty}{a_\infty- a_0}=\frac{9}{40}.
\end{displaymath}

Nach Logarithmieren ergibt sich

\begin{displaymath}
n\ge \frac{\ln 9/40}{\ln 5/6}= 8,18.
\end{displaymath}

Es sind also 9 Minuten nötig .

Aufgabe 3   Es sei die Folge $\{x_n: n=0,1,2,...\}$ gegeben durch

\begin{displaymath}
x_{n+1}=2,3x_n- 0,3x_n^2,\quad n=1,2,...
\end{displaymath}

und den Anfangswert $x_0$.
a) Bestimmen Sie die Reproduktionsfunktion $g$ dieser Folge und ihren Fixpunkt $t>0$.
b) Für welche Anfangswerte ist die Folge $\{x_n: n=0,1,2,...\}$ nicht negativ?
c) Zeichnen Sie in einem Koordinatensystem die Reproduktionsfunktion, ihre Fixpunkte und drei Werte der Folge mit Anfangswert $x_0=1$.
d) Analysieren Sie an Hand des Graphen der Reproduktionsfunktion das Verhalten der Folge in Abhängigkeit vom Anfangswert $x_0$.
e) Zeigen Sie, dass $
x_n< x_{n+1}
$ genau dann, wenn $x_n<t$.

Lösung zu Aufgabe 3 (15 Punkte)   a) Es gilt

\begin{displaymath}
g(x)=2,3x-0,3x^2.
\end{displaymath}

Offenbar gilt

\begin{displaymath}
g(t)=t
\end{displaymath}

genau dann, wenn

\begin{displaymath}
t= \frac{2,3-1}{0,3}=\frac{13}{3}.
\end{displaymath}

b) Die Folge ist für

\begin{displaymath}
x_0\in \left[0, \frac{2,3}{0,3}\right]=\left[0, \frac{23}{3}\right]
\end{displaymath}

nicht negativ.
c) Auf Grund der Abbildung 1 ist die Folge für alle Anfangswerte aus dem Intervall

\begin{displaymath}
\left(0, \frac{23}{3}\right)
\end{displaymath}

konvergent.
Wegen

\begin{displaymath}
\left\vert g'(t)\right\vert= \left\vert-\frac{3}{10}\right\vert<1
\end{displaymath}

ist der Fixpunnkt $t$ anziehend.
(i) Für $x_0< t$ wächst die Folge monoton bis $x_n\ge t$. Ist $x_n=t$, so bleibt die Folge konstant. Ist $x_n>t$, so springt die Folge zu $x_{n+1}<t $ und es wiederholt sich das Verhalten zu Beginn.
(ii) Ist $x_0>t$, so springt die Folge zu $x_{1}<t $ und es wiederholt sich das Verhalten zu Beginn des Falles (i).
(iii) Für $x_0= t$ gilt $x_n=t$ für alle n.
e) Die Ungleichung

\begin{displaymath}
x_n< x_{n+1}
\end{displaymath}

ist gleichwertig mit

\begin{displaymath}
g(x_n)>x_n
\end{displaymath}

oder nach Umformen

\begin{displaymath}
x_n < t.
\end{displaymath}

Aufgabe 4   Für 5 Kartoffeln findet man in der folgenden Tabelle jeweils das spezifische Gewicht $g$ in $mg/cm^3$ und den Stärkegehalt $t$ in $\%$.

\begin{displaymath}
\begin{array}{c\vert ccccc}
Nr.&1&2&3&4&5\\
\hline
g_i&106...
...070&1075&1084\\
\hline
t_i&9,6&10,5&11,4&11,6&13,6
\end{array}\end{displaymath}

a) Bestimmen Sie mit Hilfe der Methode der kleinsten Quadrate die beste lineare Anpassung von $g$ durch $t$ der Art (i) $g=at+b$ und den Korrelationskoeffizienten zwischen $g$ und $t$ .
b) Bestimmen Sie mit Hilfe der Methode der kleinsten Quadrate die beste lineare Anpassung von $t$ durch $g$ der Art (ii) $t=Ag+B$ und den Korrelationskoeffizienten zwischen $t$ und $g$.
c) Zeichnen Sie die Punkte und die beste Anpassungen (i) in einem Koordinatensystem. In welchem Punkt würden sich die Geraden (i) und (ii) schneiden?
d) Entscheiden Sie anhand der Zeichnung aus c), ob die Anpassung (i) sich verbessert, wenn die vierte Messung (1075;11,6) durch den Messwert $(1075;12,0)$ ersetzt wird.

Lösung zu Aufgabe 4 (20 Punkte)   a) Wir erstellen folgende Tabelle

\begin{displaymath}
\begin{array}{ccccccc}
Nr.&1&2&3&4&5&Summe\\
\hline
g_i&106...
...\\
t_i^2&92,16&110,25&129,96&134,56&184,96& 651,89
\end{array}\end{displaymath}

Wir bestimmen nun die beste Anpassung $g=at+b$. Es gilt

\begin{displaymath}
a=\frac{n\sum_{i=1}^nt_ig_i-\sum_{i=1}^nt_i\sum_{i=1}^ng_i}
{n\sum_{i=1}^n t_i^2-\left(\sum_{i=1}^nt_i\right)^2}
\end{displaymath}


\begin{displaymath}
=\frac{5*60768,9-56,7*5354}{5* 651,89-56,7^2}
=\frac{ 272,7}{44,56}=6,119838.
\end{displaymath}

Weiter gilt

\begin{displaymath}
b= \frac{\sum_{i=1}^nt_i^2\sum_{i=1}^ng_i-\sum_{i=1}^nt_ig_i...
...=1}^nt_i}
{n\sum_{i=1}^n t_i^2-\left(\sum_{i=1}^nt_i\right)^2}
\end{displaymath}


\begin{displaymath}
=\frac{651,89*5354-60768,9*56,7}{5* 651,89-56,7^2}
=\frac{44622,43}{44,56}=1001,401.
\end{displaymath}

Die beste Anpassung lautet also

\begin{displaymath}
g=6,12t+1001,4.
\end{displaymath}

Wir bestimmen zunächst

\begin{displaymath}
n\sum_{i=1}^n g_i^2-\left(\sum_{i=1}^ng_i\right)^2
=5* 5733406- 5354^2= 1714.
\end{displaymath}

Für den Korrelationskoeffizient ergibt sich

\begin{displaymath}
r_{t,g}=\frac{n\sum_{i=1}^nt_ig_i-\sum_{i=1}^nt_i\sum_{i=1}^...
...ft(n\sum_{i=1}^n g_i^2-\left(\sum_{i=1}^ng_i\right)^2\right)}}
\end{displaymath}


\begin{displaymath}
=\frac{272,7}{\sqrt(44,56 * 1714}=\frac{272,7}{ 276,3618}= 0,98675.
\end{displaymath}

b) Wir bestimmen die beste Anpassung $t=Ag+B$. Es gilt dann

\begin{displaymath}
A=
\frac{n\sum_{i=1}^nt_ig_i-\sum_{i=1}^nt_i\sum_{i=1}^ng_i}{n\sum_{i=1}^n g_i^2-\left(\sum_{i=1}^ng_i\right)^2}
\end{displaymath}


\begin{displaymath}
=\frac{5*60768,9-56,7*5354}{5* 5733406- 5354^2}
=\frac{272,7}{1714}= 0,1591015.
\end{displaymath}

Weiter gilt

\begin{displaymath}
B= \frac{\sum_{i=1}^ng_i^2\sum_{i=1}^nt_i-\sum_{i=1}^nt_ig_i...
...=1}^ng_i}
{n\sum_{i=1}^n g_i^2-\left(\sum_{i=1}^ng_i\right)^2}
\end{displaymath}


\begin{displaymath}
=\frac{ 5733406*56,7- 60768,9*5354}{5* 5733406- 5354^2}
=\frac{-272570,4}{1714}= -159,0259.
\end{displaymath}

Die beste Anpassung lautet also

\begin{displaymath}
t=0,1591015 g-159,0259.
\end{displaymath}

Dies ist gleichwertig mit der Gleichung

\begin{displaymath}
g= 6,285295t+999,5248.
\end{displaymath}

Der Korrelationskoeffizient verändert sich nicht, da

\begin{displaymath}
r_{t,g}= r_{g,t}.
\end{displaymath}

Die Gerade ist in Abbildung 2 dargestellt.
c) Die Geraden schneiden sich im Schwerpunkt $(\bar{t},\bar{g})$, also

\begin{displaymath}
\bar{t}= 11,34,\quad \bar{g}= 1070,8.
\end{displaymath}

d) Der fragliche Punkt wandert zur besten Anpassung (i). Folglich wird die lineare Anpassung besser.

Aufgabe 5   Beim Auszählen von Zellen in 50 Quadranten eines Hämozytometers ergab sich folgende Häufigkeitstabelle.

\begin{displaymath}
\begin{array}{c\vert cccccccccc}
a_i&1&2&3&4&5&6&7&8&9&11\\
\hline
n_i&2&10&5&15&6&3&5&2&1&1
\end{array}\end{displaymath}

a) Bestimmen Sie folgende Charakteristiken: den Modalwert, den Mittelwert, die empirische Varianz $s^2$ und das Quantil der Ordnung $0,34$.
b) Bestimmen Sie die Ausreißer und dann die Kenngrößen des Boxplots. Zeichnen Sie den Boxplot.
c) Zeichnen Sie die empirische Verteilungsfunktion.

Lösung zu Aufgabe 5 (15 Punkte)   a) Der Modalwert ist als Wert mit der größten Häufigkeit gleich 4.
Es gilt mit $m=10$ und $n= 50$

\begin{displaymath}
\bar{a}=\frac{\sum_{i=1}^mn_i*a_i}{n}= \frac{216}{50}= 4,32.
\end{displaymath}

Es gilt

\begin{displaymath}
\sum_{i=1}^mn_ia_i^2=1160.
\end{displaymath}

Also folgt

\begin{displaymath}
s^2= \frac{1}{n-1}\left(\sum_{i=1}^mn_ia_i^2-
\frac{1}{n}\le...
...}{49}\left(1160-
\frac{1}{50}\left(216\right)^2\right)= 4,63 .
\end{displaymath}

Wir berechnen zunächst die empirische Verteilungsfunktion

\begin{displaymath}
\begin{array}{c\vert cccccccccc}
a_i&1&2&3&4&5&6&7&8&9&11 ...
...&5&2&1&1\\
n*F_n(a_i)&2&12&17&32&38&41&46&48&49&50
\end{array}\end{displaymath}

Weiter gilt

\begin{displaymath}
n*0,34= 17.
\end{displaymath}

Also folgt

\begin{displaymath}
\overline{x}_{0,34}=4,\quad \underline{x}_{0,34}=3.
\end{displaymath}

Somit

\begin{displaymath}
{x}_{0,34}=\frac{1}{2}\left(
\underline{x}_{0,34}+\overline{x}_{0,34}\right)=3,5.
\end{displaymath}

b) Aus der letzten Tabelle lesen wir die Quartile ab.

\begin{displaymath}
\begin{array}{c\vert cccc}
a&n*a&\underline{x}_{a}&\overline...
...
0,25&12,5&3&3&3\\
0,5&25&4&4&4\\
0,75&37,5&5&5&5
\end{array}\end{displaymath}

Wir definieren die Größen $\underline{A}$ und $\overline{A}$

\begin{displaymath}
\underline{A}=x_{0,5}-3(x_{0,75}-x_{0,25})=4-3*(5-3)=-2
\end{displaymath}


\begin{displaymath}
\overline{A}=x_{0,5}+3(x_{0,75}-x_{0,25})=4+3*(5-3)=10.
\end{displaymath}

Folglich ist 11 ein Ausreißer. Wir eleminieren diesen Wert und erhalten die Häufigkeitstabelle mit der empirischen Verteilungsfuntion $F_{n'}$

\begin{displaymath}
\begin{array}{c\vert ccccccccc}
a_i&1&2&3&4&5&6&7&8&9\\
\hl...
...3&5&2&1\\
n'*F_{n'}(a_i)&2&12&17&32&38&41&46&48&49
\end{array}\end{displaymath}

Hieraus ergeben sich die Quartile aus der Tabelle:

\begin{displaymath}
\begin{array}{c\vert cccc}
a&n*a&\underline{x}_{a}&\overline...
...5&12,25&3&3&3\\
0,5&24,5&4&4&4\\
0,75&36,75&5&5&5
\end{array}\end{displaymath}

Der Boxplot ist in Abbildung 3 enthalten.
c) Die empirische Verteilungsfunktion ist in Abbildung 4 dargestellt.

Aufgabe 6   a) Wie viel Möglichkeiten gibt es, 9 verschiedenfarbige Perlen auf einer Kette anzuordnen?
b) Wie viele Möglichkeiten gibt es, 3 rote, 4 weiße und 2 grüne Perlen auf einer Schnur aufzureihen?

Lösung zu Aufgabe 6 (4 Punkte)   a) Es gibt $9!= 362880$ Möglichkeiten.
b) Es gibt

\begin{displaymath}
\frac{9!}{3!4!2!}=1260
\end{displaymath}

Möglichkeiten.

\includegraphics[width=16cm,angle=0]{null.ps}

\includegraphics[width=16cm,angle=0]{ein.ps}


Manfred Riedel 2002-08-14